ZETRA Project

Foto: Sylvie Gagelmann

Wenn ich auf das zurückblicke, was ich bislang geleistet habe in meinem Berufsleben, so bin ich am stolzesten auf das ZETRA Project: Gemeinsam mit Chapter One und unserem Team aus zehn Kreativen haben wir mehr als zehn Millionen Menschen erreicht, ihr Denken verändert und die Vorgeschichte der Jugoslawienkriege umgeschrieben. Gelungen ist uns das mit preisgekröntem Storytelling und einer aufeinander abgestimmten PR- und Social-Media-Strategie.

Am Anfang des Projekts steht ein Zufall: Es ist tief in der Nacht, gerade habe ich meinen Roman beendet und will das mit einem Glas Wein und etwas Musik feiern, da stoße ich auf Youtube auf ein 2,5 Stunden langes Konzertvideo. Es treten die bekanntesten Musiker, Comedians, Schauspieler und Sportler Jugoslawiens auf, jeder nur wenige Minuten lang, Pop und Rock, Folklore und Heavy Metal, es ist, als würden heute in Deutschland Capital Bra auftreten, dann Helene Fischer, ein Sketch von Jan Böhmermann, ein Gedicht von Toni Kroos, dann singt Sido gemeinsam mit Scooter, Loredana mit Herbert Grönemeyer und am Ende alle gemeinsam ein Friedenslied.

Das Video ist eine Live-Übertragung des jugoslawischen Fernsehsenders Yutel, der Abend des 28. Juli 1991. Die Olympiahalle ZETRA in Sarajevo ist mit 30.000 Menschen überfüllt, sie schwenken Friedensfahnen, liegen sich in den Armen und singen mit. Keiner erwartet einen Krieg, auch wenn es in den vorangegangenen Wochen Schießereien und Tote gab. Heute wissen wir, dass zu dem Zeitpunkt die Jugoslawienkriege schon begonnen hatten.

Als ich auf dieses Friedenskonzert gestoßen war und weiter recherchierte, merkte ich schnell: Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Es gab mehr als 40 solcher Konzerte, zudem zahlreiche Demonstrationen, Sitzstreiks, Friedensmarathons, Paraden und starke pazifistische Verbände in allen größeren Städten. Diese Friedensbewegung war in keinem Geschichtsbuch zu finden, sie war vergessen. Stattdessen blickte die Welt auf Ex-Jugoslawen wie auf Barbaren, die nur darauf gewartet hätten, dass ihr Diktator Tito stirbt, damit sie sich abmetzeln können.

Auch ich dachte ähnlich und musste mein Geschichtsbild revidieren. So auch viele Kroaten, Bosnier und Serben. Ich wurde in TV-Shows eingeladen, mehr als hundert Artikel und Interviews erschienen, und ich durfte diese Menschen daran erinnern, dass sie sich massiv für Frieden eingesetzt hatten, und dass das alles nicht umsonst war, auch wenn es am Ende doch zum Krieg kam. Ich durfte den Kroaten, Bosniern und Serben etwas Stolz zurückgeben, Stolz darauf, verdammt viel dafür getan zu haben, einen Scheiß-Krieg zu verhindern.

Auch in Deutschland gelangten wir mit dem ZETRA Project zu großer Reichweite, zu unseren Medienpartnern gehörten Spiegel Online und Deutschlandradio Kultur. Zudem erhielten wir mehrere Preise und Stipendien, darunter “Fleiß und Mut”.

Das ZETRA Projekt hat mich, mein Denken und meine Einstellung zum Leben stark geprägt, darüber schreibe ich auch hier.

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